ISAF




Zehn Jahre
International Security Assistance Force (ISAF)
in Afghanistan:

Daten und Fakten eines gescheiterten Eisatzes am Hindukusch
(07. Oktober 2001 - 07. Oktober 2011)


Soldaten:
Im Dezember 2001 hat der UN-Sicherheitsrat die internationale Schutztruppe ISAF (International Security Assistance Force) gegründet, die seit 2003 unter Nato-Befehl steht. Die Truppe soll für Sicherheit in Afghanistan und den Wiederaufbau des Landes sorgen. Seit 2001 ist auch die Bundeswehr am Hindukusch, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums im Gespräch mit stern.de. Derzeit sind 4970 Soldaten aus Deutschland dort stationiert, davon 3041 im gefährlichen Norden des Landes, in Masar-i-Sahrif. Insgesamt sind 130.670 Isaf-Soldaten aus 49 Nationen im Einsatz. Die USA stellt mit 90.000 Soldaten die größte Truppe. Zum Vergleich: Die Isaf schätzt die Zahl der Taliban-Rebellen auf 36.000.

Ziviler Wiederaufbau:
"Nation building" - die ISAF ist in Afghanistan, um dabei zu helfen, das Land wieder aufzubauen. Die Bundeswehr nennt Teilerfolge: Der Zugang zu Trinkwasser wurde in den Provinzen für mehr als 100.000 Haushalte verbessert. Rund 43.000 Personen profitieren von Mikrokrediten, die mit Unterstützung der deutsch-afghanischen Entwicklungszusammenarbeit vergeben wurden. 310 Schulen wurden gebaut oder instandgesetzt. So erhielten mehr als 460.000 Schüler einen leichteren Zugang zu Bildung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Afghanen ist seit 2002 von rund 180 auf circa 590 US-Dollar gestiegen.

Kampf dem Drogenhandel:
Ein Kilogramm Opium sei 80 Dollar wert, verriet ein afghanischer Bauer dem Magazin National Geographic. Die Schlafmohn-Produktion ist zwar in den vergangenen Jahren zurückgegangen: So wurden 2007 noch auf 193.000 Hektar Fläche Mohn für die Opiumproduktion angebaut, 2009 waren es 123.000 Hektar. Trotz der schrumpfenden Anbauflächen ist die Produktion in den verbleibenden Gebieten allerdings immer noch so stark, dass Afghanistan weltweit auf dem ersten Platz der Opiumproduzenten bleibt. Die Taliban fördern den Drogenanbau, weil sie damit den Kampf gegen die westlichen Soldaten finanzieren. Der Mohn blüht vor allem im Süden und Südosten des Landes - Gebiete, in denen die Taliban nach wie vor mächtig sind.

Traurige Bilanz:
Seit dem Einsatz der Bundeswehr sind in Afghanistan insgesamt 52 deutsche Soldaten ums Leben gekommen. 34 von ihnen starben bei Gefechten, Anschlägen oder durch Minen und Sprengsätzen. 18 wurden durch Unfälle oder andere Umstände getötet Schießunfall Immer wieder passieren Unfälle mit den eigenen Waffen, bei denen Soldaten verletzt oder getötet werden. Der Tod eines 21-Jährigen Soldaten, der durch den Schuss eines Kameraden getötet wurde, wird derzeit vor dem Landgericht Gera verhandelt. Angeklagt ist ein Ex-Bundeswehrsoldat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm grobe Fahrlässigkeit vor. Exakte Zahlen, wie viele solcher Unfälle in Afghanistan geschehen sind, liegen nicht vor.

Heimkehrer:
Nach aktuellen Angaben des Verteidigungsministeriums waren seit Beginn des Bundeswehreinsatzes insgesamt rund 100.000 deutsche Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan stationiert. Teilweise waren sie mehrfach dort. Viele von ihnen kehrten verletzt oder traumatisiert zurück.

Krieg im Kopf:
Zahlreiche heimgekehrte Soldaten sind vom Kriegsgeschehen traumatisiert. Die Zahl derer, die sich wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) behandeln lassen, nimmt kontinuierlich zu: Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte stern.de, derzeit seien insgesamt 538 deutsche Soldaten wegen PTBS in Behandlung, darunter 442 Afghanistan-Heimkehrer. Zum Vergleich: 2005 waren es 75 Soldaten, die in Afghanistan stationiert waren. Gründe für den Anstieg: Die Belastung sowie die Zahl der eingesetzten Soldaten nimmt zu. Und: Die Hemmschwelle, psychische Probleme behandeln zu lassen, sei gesunken. Dennoch gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus, weil nach wie vor viele Betroffene alleine mit ihren Belastungen fertig werden wollen.

Tote Zivilisten:
Seit Anfang 2007 sind mehr als 10.000 afghanische Zivilisten im Krieg gestorben. Das besagt ein UN-Bericht. Und das Sterben geht weiter: Im ersten Halbjahr 2011 zählte die UN allein 1462 tote Zivilisten, das sind 15 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Staffan de Mistura, erklärt die steigende Zahl der Toten damit, dass die Aufständischen vermehrt selbstgebaute Sprengsätze verwenden. Schon ein Kind, das auf den Sprengsatz trete, kann die Bombe auslösen. Für 80 Prozent der getöteten Zivilisten seien die Rebellen verantwortlich, so der UN-Halbjahresbericht 2011:

Kriegskosten:
Nach aktuellem Stand habe der Afghanistan-Einsatz den deutschen Steuerzahler bisher 5,6 Milliarden Euro gekostet, so das Verteidigungsministerium. In den Ausgaben enthalten sind Kosten für Personal, Verwaltung, Erhalt von Wehrmaterial, Nato-Beiträge, Kriegsgerät sowie Infrastruktur. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kamen 2010 allerdings auf 17 Milliarden Euro. Die Experten bezogen die Ausgaben anderer Ministerien mit ein, die ebenfalls zur Stabilisierung der Region beitragen - wie das Entwicklungsministerium oder das Auswärtige Amt. Ebenso enthalten sind Aufwandsentschädigungen für verletzte Soldaten oder Hinterbliebene. Sollte es bis 2014 zum schrittweisen Abzug kommen, würden sich die Gesamtkosten nach DIW-Schätzungen bis dahin um weitere fünf auf dann 22 Milliarden Euro erhöhen.

Korruption:
Zehn Jahre nach Kriegsbeginn regiert die Korruption. Gemäß dem Korruptionswahrnehmungs-Index von Transparency International ist die Korruption nur in Somalia und Myanmar noch höher. Der Index listet die Länder nach dem Grad auf, in dem vor Ort Korruption bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommen wird. Die Zahlen stützen sich auf verschiedene Umfragen und Untersuchungen. 2005 hatte es das Land immerhin auf Platz 117 geschafft.

Politische Gipfel:
Am 27. November 2001 trafen sich vier Afghanistan-Delegationen erstmals auf dem Petersberg bei Bonn, um einen Plan für den Wiederaufbau des Landes zu erarbeiten. Seitdem haben sich Delegierte sowie Staats- und Regierungschefs der Geberländer schon acht Mal in Tokio, London, Berlin, Den Haag und Kabul zusammengesetzt, um über die Zukunft der Region zu beraten. Die nächste Afghanistan-Konferenz steht am 5. Dezember an. Dann soll auf dem Petersberg nach zehn Jahren Einsatz Bilanz gezogen werden.

ENDE
Quelle: Stern