Tabus

Tabus in Afghanistan
Tabuthemen in Afghanistan, die man dringend beachten muss
Die richtige Antwort für einen Dummkopf ist Schweigen
(Afghanisches Sprichwort)



Schwierige Themen

Kritik:
Kritik wird in Afghanistan sehr vorsichtig gehandhabt. Direkte Kritik kann sehr verletzend wirken und sollte immer vorsichtig und behutsam gebraucht werden. Afghanen sind es gewohnt, schwierige Themen zu nächst zu umgehen und Kritik am Gegenüber sehr geschickt zu verpacken, so dass viel Gespür notwendig ist, um den tatsächlichen Inhalt zu erkennen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber in den meisten Fällen wird Kritik indirekt ausgesprochen und in schwerwiegenden Fällen das "Gespräch unter vier Augen" gesucht.

Religion und Stellung der Frau:
In Afghanistan sollte Äusserungen über die Religion, die Stellung der Frau und damit verbundenen Ehrvorstellungen möglichst unterlassen werden. Die Frau ist in Afghanistan ein besonderer verletzlicher Teil der Gesellschaft. Männer erkundigen sich nicht ausführlich nach dem Wohlbefinden weiblicher Verwandter oder Bekannter. Solche sehr persönlichen Fragen sind erst angebracht, wenn die Gesprächspartner näher bekannt sind und abzuschätzen ist, wie solche Fragen aufgefasst werden. Bei einer Begegnung mit Männern und Frauen gibt man der Frau nie die Hand. Dem Mann wird die Hand gereicht und die Frau wird mit "Salam-a-leikum" gegrüsst. Die modernen und emanzipierten Frauen reichen von sich aus dem Gesprächspartner die Hand. In diesem Fall ist es erlaubt, der Frau die Hand zu reichen.

Grusssituation:
Für ausländische Frauen ist es in Grusssituationen mit afghanischen Männern angebracht, einfach abzuwarten, ob die Hand ausgestreckt wird oder nicht. Eine Ausländerin, die nicht in diese passive abwartende Rolle geraten möchte, kann einen freundlichen verbalen Gruss mit einem Lächeln oder einer leichten Kopfneigung anbieten. Manche Afghanen sind unsicher, wie sie sich einer westlichen Frau gegenüber verhalten sollen. Obwohl sie sonst Frauen nicht mit Handschlag begrüssen, möchten sie gegenüber einer westlichen Frau höflich sein und sie auf ihre Art begrüssen. Für viele Männer, besonders im ländlichen Raum gehört die körperliche Kontaktaufnahme mit fremden Frauen nicht zu ihrer Verhaltensregel. Oft übersehen sie die Ausländerinnen zunächst völlig, bis ein offizieller Gesprächsanlass findet. Es soll nicht abwertend verstanden werden, wenn Männer die von der Grüssenden hingehaltene Hand ignorieren und erklären, dass sie aufgrund religiöser Motive lieber auf eine Begrüssung verzichten möchten.

Prostitution und Homosexualität:
Zu den gesellschaftlichen Tabuthemen gehören auch Prostitution und Homosexualität. Solche Fragen werden sofort als Kritik an die afghanische Gesellschaft nach dem Motto verstanden "wie verdorben doch die afghanische Gesellschaft wäre". Ferner ist es anzuraten, in Gesprächen und Diskussionen nicht gleich mit Ablehnung und Entrüstung auf Themen wie "Unterdrückung von Frauen" oder "Verschleierung" zu reagieren. Diese Menschen haben immer soziokulturelle Gründe für ihre Verhaltensweise und empfinden sie meist als völlig gerechtfertigt. Mit Afghanen kann man gut diskutieren. Es stellt selten ein Problem dar, im Kreise von afghanischen Gesprächspartnern die eigene Meinung zu vertreten oder lange zu diskutieren - vor schnellen Verurteilungen und direkten, schonungslosen Angriffen sollte man allerdings Abstand nehmen.

Ethnische und religiöse Minderheiten:
Ein schwieriges Thema kann auch das Verhalten gegenüber ethnischen oder religiösen Minderheiten sein, deren Existenz oder Diskriminierung oft einfach abgestritten wird. Über Religion zu sprechen ist recht beliebt. Auch der nichtmuslimische Ausländer wird gerne in Diskussionen verwickelt, über die Vorzüge des Islam belehrt und nach dem eigenen Glauben befragt. Das Christentum gilt als ehrbare Religion, weil es zu den drei grossen Religionen des Buches gehört. Trotzdem sind durchaus Christen gemeint, wenn freitags in Moscheen gegen die unmoralische Lebensweise der Ungläubigen gewettert wird.

Eigener Glaube:
Von einem ehrbaren Mensch wird erwartet, dass er zu seinem Glauben steht. Eine kritische Haltung der eigenen Religion gegenüber oder sogar offen demonstrierter Atheismus stossen selbst bei modernen Afghanen auf Unverständnis. Es ist empfehlenswert, im Gespräch mit eventuellen atheistischen Überzeugungen behutsam umzugehen. Denn in der afghanischen Gesellschaft existieren immer noch gedankliche Verknüpfungen von Atheismus und Kommunismus, die zu einer unberechtigten bzw. unvorstellbaren negativen Bewertung des Gesprächspartners führen können.

Allgemeiner Konsens:
Für den Ausgang eines Gesprächs ist die Atmosphäre fast ebenso entscheidend wie das Gesagte selbst. Gilt es einen skeptischen Gesprächspartner zu überzeugen, wird man sich zu nächst einmal um eine besonders freundliche Stimmung bemühen. Bei wichtigen Gesprächen ist es vorteilhaft, gut über die persönlichen Verhältnisse und das soziale Umfeld des Gegenübers informiert zu sein. Es ist unüblich, zu früh mit dem Hauptthema zu beginnen, ehe wird es auf verschlungenen Pfaden eingekreist, um zunächst ein Klima des allgemeinen Konsenses zu schaffen.

Vermeintliche Absprache:
Afghanen widersprechen ungern. Selbst wenn der Gesprächspartner absolut konträrer Meinung ist, werden sie möglichst Themen suchen, bei denen sie zustimmen können. Auch bei Umfragen muss man mit dieser Form der Höflichkeit rechnen und darf nicht vorschnell auf Zustimmung schliessen, nur weil niemand "nein" gesagt hat. Mancher Ausländer merkt erst, wenn es an die Verwirklichung eines scheinbar gemeinsam gefassten Beschlusses geht, dass es diese vermeintliche Absprache gar nicht gegeben hat.

Der Gesprächspartner:
Ein recht sicheres Indiz für unterschiedliche Vorstellungen ist die Taktik des Gegenübers, das Thema zu wechseln, bevor das Gespräch darauf kommt, wie der Verhandlungsgegenstand verwirklicht werden soll. In solchen Fällen macht es wenig Sinn, weiter zu diskutieren. Man sollte stattdessen einen neuen Verhandlungstermin festlegen. Es ist ein typisches Phänomen des afghanischen Gesprächspartners, dem Gesprächspartner überwiegend positive Rückmeldung zu geben. Wird diese scheinbare Zustimmung als ein realer Gesprächsausgang oder als "Abmachung" aufgefasst, können sich später Enttäuschungen ergeben, wenn die Resultate ausbleiben. Dem Gespräch oder der Zusage zufolge lassen sich beispielweise benötigte Unterlagen scheinbar problemlos beschaffen und schwierige Aufgaben in kürzester Zeit erledigen. Zu gegebener Zeit liegen dann aber weder die Unterlagen vor noch ist die Aufgabe erledigt. Mit "Kein Problem" wird auch dann versichert, wenn von vornherein klar ist, dass ein Vorhaben nicht realisierbar ist. "Neinsagen" würde bedeuten, dass man erst gar keinen guten Willen zeigt. Afghanen lehnen eine Bitte oder eine Anfrage nicht gerne ab und geben erst einmal eine positive Rückmeldung oder bleiben bestenfalls neutral.

Alte Menschen:
Die Behandlung von alten Menschen in der westlichen Welt wird von Afghanen scharf kritisiert. In der afghanischen Gesellschaft ist die oberste Pflicht eines Kindes, sich um die alten Eltern zu kümmern. Dieses Thema anzusprechen oder gar zu kritisieren, können Konflikte verursachen. Bei bestimmten gesellschaftlichen Themen grenzen sich Afghanen von der westlichen Welt scharf ab. Dazu gehören der Bedeutungsverlust der Familie, Freizügigkeit zwischen den Geschlechtern, hohe Scheidungsraten und das elende Leben der alten Menschen in Altenheimen. In diesen Bereichen demonstrieren Afghanen gerne ihre moralische Überlegenheit. Solcher Überlegenheit zu widersprechen, macht bei Afghanen wenig Sinn. Man verschliesst sich sofort und ist nicht mehr bereit, weiter zu diskutieren.

Direktes Deuten:
Das unverhohlene und direkte Deuten auf Personen, womöglich mit dem Zeigefinger einer Hand, beweist in Afghanistan nicht nur schlechtes Benehmen, sondern kann in ländlichen Dörfern auch Schaden anrichten. Man glaubt, dass der "böse Blick" auf die angezeigte Person gerichtet wird. Afghanen winken mit der ganzen Hand, wobei die Handfläche nach unten gedreht ist und die Finger geschlossen hin- und herbewegt werden.

Blickkontakt zu fremden Frauen:
Die Augen haben in der nonverbalen Kommunikation eine besondere Bedeutung, denn der Blickkontakt ist eine sehr intensive Kommunikationsform. Nichtverwandte Frauen und Männer blicken sich nicht direkt an. Wird ein direkter Blick mit einem Lächeln kombiniert und in Richtung eines nichtverwandten Mannes gesendet, kommt einer sexuellen Aufforderung gleich. Für Afghanen gelten die Augen als geheimnisvoll. Ihnen wird im magischen und erotischen Sinne eine grosse Bedeutung zugeschrieben.

Männerfreundschaft:
So distanziert sich die Männer und Frauen in kommunikativer Situation verhalten, so nah sind sich gleichgeschlechtliche Menschen. Die Körperdistanz in einer Männergruppe ist sehr klein. Bekannte sitzen sehr eng zusammen, was bei einem westlichen Gast zunächst Befremden hervorrufen kann. Befreundete Männer zeigen ein sehr vertrautes, körperliches Verhalten. Sie schlagen sich spasshalber auf Schulter, Arme und Beine, umarmen sich und gehen entspannt und selbstverständlich Hand in Hand spazieren. Dieses Verhalten schliesst keineswegs auf eine homosexuelle Neigung. Eine geringste Andeutung in dieser Richtung kann unvorstellbare Folgen haben.

Individualistische Lebensform des Westens:
Zu den Verhaltensweisen, die oft auf Ablehnung oder Unverständnis stossen, gehört die westliche individualistische Lebensform. Sie wird oft als "menschliche Kälte" und "unsoziales Verhalten" interpretiert. Die kleine Familie mit geringer Kinderzahl wird oft auf Egoismus zurückgeführt. Die Afghanen reagieren sehr unfreundlich, wenn sie gefragt werden, warum man noch bei den Eltern lebt oder "Oh Gott, so viele Kinder". Die Afghanen fühlen sich im Kreise der Grossfamilie wohl und sind davon überzeugt, dass Kinder "Gottesgabe" ist, die nur von gottlosen Menschen in Frage gestellt werden können.

Hobbys:
Das Wort Hobby ist in Afghanistan ein Fremdwort. Manche Ausländer reagieren mit Befremden, wenn sie feststellen, dass Afghanen keinem Hobby nachgehen. Für Afghanen sind ihre Familien und Freunde das beste Hobby. Freizeit organisieren oder planen kennen die Afghanen nicht. Die Freizeit wird spontan und einfach in der Familie oder zumindest in einer Freundesgruppe verbracht.

Zeitungen mit nackten Fotos:
Wenn der Mullah am Freitag von Minarette der Moschee gegen die westlichen Werte und Moralvorstellung wettert, die Kleidungsordnung des Westens "unanständing" und die Darstellung des Körpers in Zeitschriften und Illustrierten "schamlos" bezeichnet, dann ist es für den Ausländer anzuraten, Zeitungen mit nackten Fotos nicht in der Öffentlichkeit zu lesen oder gar einem afghanischen Mitarbeiter mitzugeben. Solche Bilder lösen heftige Reaktionen in den Familien aus und können zu ungeahnten Folgen führen.

Hitler und Afghanen:
Die Einstellung der Afghanen gegenüber den Deutschen ist von ganz besonderer Natur. Afghanen mögen Deutschen - sie fühlen sich ihnen wesensverwandt, führen beide Völker auf die gleiche "arische Ursprünge" zurück, sie schätzen und bewundern viele deutsche Eigenschaften. Deutsche in Afghanistan werden immer wieder auf das Dritte Reich und Hitler angesprochen. Hitler ist eine sehr beliebte politische Person, weil er, wie die Afghanen sagen, "in der Welt für Ordnung sorgen wollte und sich bemüht hat, die Judenfrage endgültig zu lösen". - alles im Sinne der meisten Afghanen und auch junge und gebildete Leute vertreten diese Meinung. Diese Diskussionen sind der Schrecken vieler Deutschen. Sie stehen hilflos vor solchen für sie nicht nachvollziehbaren Ansichten und sind betroffen, schimpfen oder ziehen sich zurück. Aber es helfen weder gründliche Überzeugungsversuche, noch hitzige Diskussionen oder lange Vorträge - die Sympathien für Hitler und seine Welt-Reich-Ideen bleiben bestehen.

Weibliche Vorgesetzte:
Die afghanischen Männer haben grundsätzlich ein Problem damit, eine weibliche Vorgesetzte zu haben. Ist diese Vorgesetzte eine Ausländerin, die sich aufreizend kleidet, lockere Bewegungen macht und Bekanntschaften mit Männern schliesst, die nicht zu ihrer beruflichen Position gehören, dann ist Illoyalität vorprogrammiert. Um Konflikte zu vermeiden, ist es in solchen Situationen ratsam, sich den Rollenvorstellungen der Einheimischen anzupassen und sich entsprechend zu kleiden.

Ramadan (Fastenmonat):
Der Fastenmonat ist eine der im Koran verankerten religiösen Pflichten der Muslime. Der Fastenmonat beruht auf das islamische Mondkalenderjahr und dauert grundsätzlich 29 Tage (Schaltjahr 30 Tage). Da das Monkalenderjahr 354 Tage hat, verschiebt sich der Beginn und das Ende des Fastenmonats jedes Jahr um 11 Tage. So kommt alle 18 Jahre Ramadan im Winter und im Sommer vor.

Im Fastenmonat ist dem gläubigen Muslim verboten:
- während des Tages Speisen und Getränke zu sich zu nehmen
- zu rauchen
- Geschlechtsverkehr zu haben
- Alkohol zu trinken (obwohl ohnehin verboten)
- sich närrisch und überlustig zu verhalten
- zu fluchen
- üble Nachrede zu üben
- zu lügen
- andere zu beleidigen
- stehlen und/oder unterschlagen

Ausgenommen davon sind Kinder, alte und kranke Menschen und schwangere Frauen, wobei diese die verpassten Fastentage nachholen müssen.

Als nichtmuslimer Besucher sollte man während dieser Zeit gewisse Zurückhaltung üben, wenn man seine Gastgeber nicht vor den Kopf stossen will. Man sollte tagsüber nicht essen, trinken oder rauchen, wenn man von Muslimen dabei gesehen werden kann. Was man in eigenen Vierwänden tut, interessiert niemand, solange alles sehr diskret geschieht.

Man sollte auf keinen Fall während der Fastenzeit einem Muslimen Essen, Getränke oder Zigaretten anbieten.

Sollten Sie von einem Muslim beim Besuch seines Hauses oder seiner Arbeitsstelle etwas angeboten bekommen, weil es dort Sitte ist, lehnen Sie unter einem Vorwand ab, da er sonst gezwungen wäre, Ihnen beim Konsum Gesellschaft zu leisten, ohne selbst etwas essen oder trinken zu dürfen. So entsteht für den Besucher eine sehr unangenehme Situation.

Betreten von Moscheen und heiligen Orten:
Man sollte als nichtmuslimischer oder ausländischer Besucher sich von Moscheen oder andere heilige Orte fernhalten. Es ist unerwünscht, Menschen während der Gebetsstunde, insbesondere im Fastenmonat Ramadan, oder Gebetswaschung zu fotografieren. Ein solches Verhalten kann zu schweren Verstimmungen führen. Sollte man explizit dazu eingeladen werden, die Moschee zu betreten, dann bitte nur in Begleitung von Gastgeber. Denn der Gastgeber kann für Sie argumentieren, warum Sie die Moschee betreten haben.

Fortsetzung folgt